Siegtal: Ausbau für den Güterverkehr
Siegtal: Ausbau für den Güterverkehr
Zu einem kontroversen Thema hatte die Kolpingsfamilie Hennef eingeladen: Bundesregierung und Bundestag haben beschlossen, die Bahnlinie im Siegtal für die Ausweitung des Güterverkehrs bis zum Jahr 2030 auszubauen. Nicht nur die Anwohner befürchten negative Auswirkungen für die Lebensqualität in der Stadt Hennef und im Erholungsgebiet des Siegtales.
Nachdem das Bundesverkehrsministerium eine Mitwirkung bei der Veranstaltung absagte, lud die Kolpingfamilie Hennef einen hochrangigen Experten ein, der aber an dem Vorhaben der Bundesregierung nicht beteiligt ist und deshalb aus neutraler Sicht berichtete: Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) und Nahverkehr Rheinland (NVR).
Die Botschaft im Vortrag des Bahnexperten war eindeutig:
– Für die Ausweitung des öffentlichen Personennahverkehrs wird ein Streckenausbau auf durchgängige Zweispurigkeit kurz- und mittelfristig nicht benötigt.
– Garantierten Lärmschutz gibt es nur in den unmittelbaren Ausbauzonen, also auf einer kurzen, bisher einspurigen Strecke zwischen Stadt Blankenberg und Merten.
– Das Vorhaben der Bundesregierung, den Lärm von Güterzügen durch modernere Bremsen zu halbieren, droht an einer Kollision mit EU-Recht zu scheitern. Ab 13.12.2020 soll auf dem deutschen Schienennetz ein Fahrverbot für laute Güterwagen gelten. Es muss aber noch eine einvernehmliche Regelung mit der EU und der „Organisation intergouvernementale pour les transports internationaux ferroviaires“ (OTIF) gefunden werden!
– Eine wirksame Lösung für die Kapazitätsprobleme im internationalen Nord-Süd-Güterverkehr lässt sich nur durch einen Neubau der Strecke zwischen (Köln)-Troisdorf und Mainz verwirklichen.
Da dies weitgehend in Tunneltechnik erfolgen würde, gäbe es auch einen wirksamen Lärmschutz. Für die Anwohner von Troisdorf über Bonn-Beuel bis zum Mittelrheintal würde dies eine Befreiung von bisherigen Lärmbelästigungen bedeuten, die bisher vielfach als unerträglich und gesundheitsgefährdend empfunden werden. Zugleich würde das Siegtal in weiten Teilen vom Güterverkehr in Nord-Süd-Richtung verschont.
Diese Neubaustrecke, in einem Gutachten für den Bundesverkehrswegeplan als „Korridor Mittelrhein Zielnetz II“ bezeichnet, wurde bereits vom Bundesverkehrsministerium in den Blick genommen, allerdings im neuen Bundesverkehrswegeplan nicht berücksichtigt.
Liegt es an den geschätzten Kosten in Höhe von 7 bis 11 Milliarden Euro?
Auf der anderen Seite besitzen die gegenwärtigen Ausbaupläne nach Ansicht des eingeladenen Bahnexperten große Risiken:
– Die bisherigen Engpässe verhindern eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Mit den im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Maßnahmen würden sie nur teilweise beseitigt.
– Die Lärmbelästigungen würden strukturell nicht vermindert, sondern erhöht: Das Rheintal würde kaum spürbar entlastet, der Güterverkehr und damit die Lärmbelästigung im Siegtal aber deutlich erhöht.
Dr. Norbert Reinkober forderte in der Diskusion zu einem überparteilichen Konsens auf, um drei Anliegen zu verwirklichen:
– Die im Kreistag vertretenen Parteien sollen gemeinsam mit dem Landrat einen Konsens erarbeiten.
– Im Schulterschluss mit dem Mittelrheintal soll sich der Rhein-Sieg-Kreis dann für die Verwirklichung einer tunnelmäßigen Neubaustrecke von Köln nach Mainz oder Bogenheim einsetzen. Durch das Rheintal rattern derzeit täglich mehr als 300 Güterzüge, im Siegtal sind es gegenwärtig etwa 10, in Ausnahmen bis zu 40.
– Die Europapolitiker der Region sollen um Unterstützung gebeten werden, eine EU-konforme Regelung zum Einsatz von lärmreduzierenden Bremsen bei Güterzügen zu erreichen.
Bei der Einschätzung, wie sich der Güterverkehr im Siegtal nach einem Ausbau erhöht, gab es unterschiedliche Einschätzungen. VRS-Geschäftsführer Norbert Reinkober erläuterte in seinem Vortrag, daß der Bund nach dem Ausbau von 17 Güterzügen täglich ausgehe. Martin Grünewald von der Kolpingsfamilie Hennef verwies in der Diskussion auf eine vorliegende Mitteilung der Deutschen Bahn, die eine tägliche Belastung von 74 Güterzügen pro Tag nach einem Ausbau nennt. Rein rechnerisch sei teils sogar von 244 Güterzügen täglich die Rede.
Bei der Veranstaltung beteiligten sich viele der 70 Teilnehmer aktiv, stellten zahlreiche Fragen und diskutierten eine Stunde lang mit dem Experten über Grenzwerte, Schallpegel, die Bedeutung des Siegtales für den Tourismus und die Auswirkungen durch den internationalen Güterverkehr.
Diskussion: Pro und Contra
22.05.17
Dr. Norbert Reinkober, VRS-Geschäftsführer, informierte und machte konkrete Vorschläge zum Schutz vor dem Lärm des Güterverkehrs.
Es rattern die Züge bei Tag und bei Nacht
Einen aufschlussreichen Bericht über die Probleme beim Güterverkehr, insbesondere hinsichtlich der Lärmentwicklung, hat die FAZ veröffentlicht.